FILMREIHE SHOOTING WOMEN
Die Filmreihe SHOOTING WOMEN, in der anhand von vier Filmen die Möglichkeiten weiblichen Filmschaffens in Österreich vor 1999 andeutet werden, ist der Auftakt zu einer Kooperation zwischen ega und dem Filmarchiv Austria. Die im Sommerprogramm des ega gezeigten Titel verdeutlichen den Stellenwert der weiblichen Pionierarbeit im österreichischen Film und weisen auf die gesamtgesellschaftliche Gültigkeit wesentlicher Fragen und Diskussionspunkte hin, die in ebendiesen Arbeiten aufgeworfen werden. Die Auseinadersetzung mit diesem Themenkomplex, der ein Schwerpunkt bei der diesjährigen Diagonale und eine umfassende Retrospektive im Filmarchiv Austria/Metro Kino vorausgingen, ist eine ebenso zu begrüßende wie fordernde Aufgabe.
»There can be no theory unless something has first been rendered problematic. Until we sense a lack or we doubt the sufficiency of appearances or we wonder how or why things happen to come about as they do, there is no energy, no urgency to invest in theory.« Unter anderem auch mit diesen treffenden Zeilen beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Elizabeth W. Bruss das Hinfinden, das Entstehen und die Notwendigkeit einer (hoffentlich guten) Theorie, eines Theoretisierens und Diskursivierens, die nicht Ausdruck einer nachträglichen Steigerung von Komplexität sind, sondern Teil einer vitalen Debatte um Erkenntnis und Verstehen. Nimmt man also das Spannungsverhältnis aus ontologischer Lückenhaftigkeit und epistemologischer Notwendigkeit ernst, bietet sich für den historischen wie zeitgenössischen österreichischen Film und den Anteil weiblichen Wirkens hinsichtlich der sich ergebenden Fragen nach der Selbstbeschaffenheit und dem potentiellen Erkenntnisgewinn die Begrifflichkeit der Gegenwart an, um einen gleichermaßen reflektierten wie mediumsnahen Zugriff zu entwickeln. Gegenwart soll hier deshalb auch in einer dreifaltigen semantischen Ladung gelesen werden, nämlich als zeitliche Dimension des Unmittelbaren, als Präsenz des Vorhandenen und – im Sinne der Vergegenwärtigung – als Option einer produktiven Auseinandersetzung.
Der Weg zu einem »New Austrian Cinema«, wie es etwa Robert von Dassanowsky treffend bezeichnet hat und schon 1997 im vielgelesenen »The Hollywood Reporter« als sich abzeichnende Reife des österreichischen Films auf internationalem Niveau interpretiert worden ist, war, im Rückblick betrachtet, überaus steinig. Einen nicht unwesentlichen Anteil an den vorangegangenen positiven Entwicklungen wie ein umfassenderes Verständnis für das Medium Film in transnationalen Kontexten, seiner Produktions- und Rezeptionsbedingungen und auch das neue Selbstverständnis österreichischer Filmemacher ist den weiblichen Pionierleistungen vor der Zäsur von 1999 geschuldet. Ein kleines Auswahlprogramm kann den kurvigen Verlauf der Geschichte andeuten; diese nonlineare Entwicklung aber zur einzigen Begründung für Neuzugänge zu machen wäre aber nicht ausreichend. Gleichwohl kann das Interesse nicht darin liegen, an überholte Differenzvorstellungen – etwa die wankende Geschlechterdifferenz oder die Erschütterung eindeutiger Identitätsvorstellungen – fraglos zu übernehmen. Vielmehr soll es eine differenzierte Auseinandersetzung geben, die historische Perspektiven berücksichtigt und die Vielschichtigkeit bzw. Vielgestaltigkeit der Positionen und Haltungen aufzeigt.
Im Verhältnis von Spielfilm, Dokumentation, TV-Produktion und avantgardistischem Experiment manifestierten sich vielmehr die Ernstfälle im Auseinandersetzen mit Begrifflichkeiten wie Preservation, Erwartungshaltung, Zuschreibungsmuster und sozialer Normierung. In der Konfrontation mit Rollenmodellen, Frauenrechten und Repräsentationsfragen bleiben die Regisseurinnen nicht ausgespart; vielmehr verdeutlicht sich an ihrem Schaffen – und nicht selten an ihren mitunter tragischen Schicksalen – der umfassende Druck von sozialer Zuschreibung und vorausgesetzter Ein- bzw. Unterordnung. Die Verweigerung solcher Muster beschert uns retrospektiv die Überwindung visueller Prototypen und eine erfrischende Verschiebung des kritischen Blicks. Das Wagnis dabei ist und bleibt, sich weiterzubewegen und die oben erwähnte Gegenwart in all ihren Qualitäten, bei aller Fehlbarkeit, zu berücksichtigen.
(Thomas Ballhausen, Filmarchiv Austria)
FILMPROGRAMM
7. JULI – Einlass: 20.30 – Beginn: 21.00
ZWIELICHT (A 1978 Regie: Margareta Heinrich)/GENOSSINNEN (A 1982/1983 Regie: Margareta Heinrich u. Ullabritt Horn)
ZWIELICHT, basierend auf einem Text von Ingeborg Bachmann, erzählt von der unausgewogenen Liebe zwischen zwei Frauen, ihren Ängsten und Begierden. Als Geschichte eines persönlichen Kampfs lässt sich auch GENOSSINNEN lesen: Die Russin Wanja schildert ihre politische und private Emanzipation.
14. JULI – Einlass: 20.30 – Beginn: 21.00
ZECHMEISTER (A 1979 Regie: Angela Summereder)
ZECHMEISTER bietet die einzigartige Verhandlung eines historischen Kriminalfalls mit den Mitteln des Filmischen: Aus der Beschuldigung einer Frau, ihren Mann vergiftet zu haben, wird die Schuld, die schon für alle festzustehen scheint. Der Film fungiert als alternativer Entwurf, der nicht einfach auf die Verteidigung des Dargestellten setzt, sondern klug und mutig die Quellen zueinander in Beziehung setzt.
21. JULI – Einlass: 20.30 – Beginn: 21.00
REFLEXION (A 1970 Regie: Edith Hirsch)
Edith Hirsch verhandelt in ihrem wiederentdeckten Spielfilm mit den Stilmitteln der Avantgarde das altbekannte Thema der unglücklichen Liebe in Zeiten unausgesetzter Gewalt. Doch ihre Arbeit wirkt auch heute noch erfrischend neu und bietet in atemlosem Tonfall ein poetisches Spiel mit Erinnern und Vergessen.
28. JULI – Einlass: 20.30 – Beginn: 21.00
DER TRAUM DES SANDINO (A 1980 Regie: Margareta Heinrich u. Rudi Palla)
Der Film als Option intellektueller Entwicklungshilfe: Heinrich begleitete nach dem Sturz der Diktatur die Reformkampagnen der sandinistischen Revolutionäre. DER TRAUM DES SANDINO ist eine Dokumentation, die in poetischen Bildern mit, über und durch das Volk erzählt, das sich mit fortschreitender Alphabetisierung emanzipiert.